Fashion Week August 2024
Auch wir als Friseur Salon am Hölderlinplatz in Stuttgart schauen gern mal nach New York auf die Fashion Week.
Ein Zopf ist ein Zopf – ob in Solingen oder in New York. Und doch ist es ein besonderer Job, den eine Gruppe deutscher Friseurinnen und Friseure gerade auf der Fashion Week erledigen: Sie stylen die Models.
Vom irgendwoher tönen Catwalk-Beats über die coolen Gänge der Canoe Studios im hippen New Yorker Meatpacking District. Im Herzen des Modespektakels strahlt der Solinger Friseurmeister Raffaele Bianchi. „Allein zu wissen, dass man jetzt in New York ist auf der Fashion Week, ist schon eine ganz andere Nummer.“
Auch wenn der Solinger Figaro schon viel Backstage gemacht hat – Models auf der Fashion Week im Big Apple hat er noch nie gestylt. Um ihn herum ein Gewusel aus Models, Friseuren, Stylisten und Designern, die aufgeregt zwischen Kleiderstangen und Frisierplätzen hin- und herlaufen. Im Stakkato von Fön, Spray, Fön müssen 33 eingeflogene Friseure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Ruhe bewahren.
Bianchi und seine Kollegin Laura Voria aus Grenzach-Wyhlen in Baden-Württemberg flechten gerade einem Model einen „Braid“, einen nach hinten gezogenen, ganz eng anliegenden Zopf. Das kann schon mal ziepen. „Did I hurt you?“ („Habe ich dir weh getan?“), fragt Laura Voria das etwas pikiert dreinschauende Model.
Ihre langen blonden Haare sollen nicht von der Kleidung ablenken, die das Model für das Designer-Kollektiv Flying Solo über den Catwalk tragen wird. „Da müssen wir halt einfach schauen, dass, wenn die uns was sagen, wir genau wissen, was sie meinen.“ Bianchi zuckt mit den Schultern.
Solingen und New York seien eben nicht ganz dasselbe. „Wenn ich sage, ich frisiere in Solingen, ist es eher wirklich das Alltägliche – Waschen, Schneiden, Föhnen. Hauptsache, man sieht ein bisschen gut aus auf dem Kopf und so. Und das Frisieren auf der Fashion Week ist eine ganz andere Nummer, weil man hier unter Zeitdruck arbeitet.“
Die Hamburgerin Claudia Glockentöger spornt dieser Zeitdruck richtig an. Schon nach diesen paar Tagen sei sie völlig verliebt in New York, sagt sie: „Ich hab soviel Energie in mir gerade! Das ist irre, weil, ja – das flasht einen total. Das nimmt einen total mit. Man möchte immer noch ein Model, noch ein Model machen, und man möchte so schnell hintereinander arbeiten. Das ist irre.“
Möglich gemacht hat es „Grenzenlos“ – ein Verbund aus Friseurbetrieben, die die Branche wieder aufwerten wollen – mit Events und viel Gemeinschaftssinn. „Ich hab es irgendwann nicht mehr eingesehen, dass der Friseur nicht wertgeschätzt wird in der Gesellschaft“, sagt Mitbegründer Hussein Saleh.
Ich kenne Mütter, die sagen zu ihren Kindern: Werde ja kein Friseur, da verdienst Du kein Geld. Und viele andere sagen zum Glück: Das können wir nicht belegen, denn Gott sei Dank sind wir sehr erfolgreich und glücklich vor allem. Und wir verdienen auch gut Geld. Und wir wollen der Gesellschaft in Deutschland auch wieder zeigen, dass der Beruf geil ist.
Der Ravensburger und sein Team haben viel Ehrgeiz in das New-York-Projekt gesteckt. „Wir haben einen Kontakt bekommen von einer Kollegin, haben dann aber natürlich nicht nur für eine Person angefragt, sondern ab 30 aufwärts.“
Zum Beispiel die Thüringer Friseurmeisterin Kristina Kunke, die aus dem kleinen Ort Brückla bei Hohenleuben in die Millionen-Metropole gekommen ist. Zuhause betreibt sie einen kleinen Salon. Dass sie dabei ist, kann sie immer noch nicht fassen: „Wahnsinn, Wahnsinn. Total unbeschreiblich, crazy, aufregend wie ein Traum.“
Ihre Kollegin Nadine Schulze aus Gößnitz geht es mit Gelassenheit an, während sie zusammen einen langen präzisen Zopf flechten. „Wir wachsen da rein, und wir sind ein starkes Team“, sagt sie. „Ich fühle mich dem gewachsen, ja.“
Schließlich haben sie vorher schon alle geübt – mit dem Kreativ-Direktor der New Yorker Fashion Week, Gary Baker. Der war extra für sie zum Bootcamp nach Hannover angereist. Und trotzdem sei alles anders und aufregend, gesteht Friseurmeisterin Sabrina Poser aus Herford.
„Wir machen in Herford auch viele aufwändige Looks, aber das Frisieren für die Fashion Week sind ganz bestimmte Looks, die wir im Vorfeld trainiert haben“, sagt sie. „Da lernen auch wir nochmal was dazu.“
Das denkt auch die 24-jährige Lisa Kahriev, die zusammen mit ihrer Chefin gerade einem Modell einen Wet-Look verpasst. „Das ist, denke ich, eine sehr gute Chance hier, vor allem auch jungen Leuten zu zeigen, was das für ein Mega-Job ist, was für Möglichkeiten man hier hat“, sagt sie.
Arbeiten am Limit, aber mit Spaß
Am Nebenplatz wird es gerade bewegt. Ein Notfall im Team von Claudia Glockentöger: Bei einem Model haben sich Strähnen aus dem Zopf gelöst. Sie muss gleich auf den Catwalk. Ruckzuck haben die Friseure alles gerettet. Die Hamburgerin strahlt zufrieden.
„Ich bin über meine Grenzen rausgegangen, und das tut so gut“, sagt sie. „Das nehme ich auch mit für Deutschland, und ich hoffe, ich behalte auch diese Energie für mich da.“ Zwei Tage lang stylen sie gemeinsam coole Köpfe für New Yorks Shows. Dann können sie noch im Freizeitmodus die Fashion Week genießen.
Doch das Arbeitserlebnis selbst bleibt nicht nur für den Solinger Raffaele Bianchi das Größte. „Wenn man das dann im weltweiten Fernsehen sieht und sich denkt: die Frisur hab ich gemacht – das kann dir keiner mehr nehmen“, sagt er strahlend, während nebenan die Catwalk-Beats dröhnen.